Position des ADFC zum Verkehrsversuch

Wir begrüßen den Verkehrsversuch ausdrücklich und bedauern, dass die nördliche Fahrbahn der Sophienstraße am Gutenbergplatz erst verspätet gesperrt werden soll. Jede Veränderung hat ihre Gegner. Beim Abwägen der Interessen möge nicht außer Acht gelassen werden, dass die Lautstärke einzelner Gegner:innen nicht mit ihrer Anzahl zusammenhängt.

Um die unfallträchtige Kreuzung Sophienstraße/Lessingstraße dauerhaft zu entschärfen, fordern wir, die Pfostensperre nach Ende des Verkehrsversuchs dort dauerhaft zu belassen.

Das ungesunde Verkehrsklima in der Sophienstraße ist seit Jahren eine der häufigsten Beschwerden, die Bürger:innen an uns herantragen. Sie kritisieren Überholmanöver ohne ausreichenden Abstand und trotz Gegenverkehr sowie die gegenseitige Behinderung von Rad- und Autoverkehr. In einer Straße, die überwiegend vom Radverkehr genutzt wird und Teil des Landes-Radverkehrsnetz ist, wirken die vierrädrigen Fahrzeuge wie Korken in einem Rohr. Bei der Parkplatzsuche bremsen ihrer Fahrer:innen den gesamten nachfolgenden Radverkehr mangels Überholmöglichkeit aus. Fahren sie eine:r langsamen Radfahrer:in hinterher, können schnellere Radfahrende sie nicht überholen.

Wir erhoffen uns von den modalen Filtern, dass Autofahrende nur noch so weit wie notwendig die Sophienstraße benutzen und möglichst lange auf den umliegenden Hauptverkehrsstraßen bleiben. Wer wegen eines modalen Filters sowieso bald abbiegen muss, wird voraussichtlich auch auf viele Überholmanöver verzichten. Es ist wissenschaftlich schon lange bekannt, dass Verkehr nicht 1:1 verlagert wird. Stattdessen kommt es meistenszu einer "Verkehrsverpuffung", d.h. Leute verzichten bestimmte Fahrten, weichen auf andere Verkehrsmittel aus oder ändern ihre Routen komplett.

Erfahrungsgemäß dauert es ein paar Tage, bis die meisten Stamm-Nutzer:innen der Sophienstraße die veränderte Verkehrführung gesehen haben. Daher empfehlen wir, von voreiligen Schlüssen abzusehen und abzuwarten, ob befürchtete, unerwünschte Ausweichverkehre (z.B. um den Gutenbergplatz herum) dauerhaft beobachtbar sind.

Der Markt und seine Kunden waren eines der Argumente gegen die Umnutzung der Parkplätze in der Sophienstraße auf Höhe des Gutenbergplatz. Das Marktamt möchte die Kunden, u.a. zu ihrer Verkehrsmittelwahl, befragten. Wir begrüßen es, dass damit Behauptungen ein Fakten-Fundament geboten wird – oder auch nicht.

Teil 1: Diagonalsperre Sophienstraße/Lessingstraße

An der versetzt angeordneten Kreuzung von Sophienstraße und Lessingstraße verhindert eine Reihe Poller, dass Autofahrende geradeaus über die Kreuzung fahren können.

Die Diagonalsperre löst mehrere Probleme:

• Die Verkehrserhebung im Mai/Juni 2024 egab, dass Autofahrende über die Lessingstraße oft die Ampel am Mühlburger Tor und die Reinhold-Frank-Straße umfahren. Dieser Kfz-Verkehr sollte jedoch nicht durch das Quartier schleichen, sondern auf den Hauptverkehrsstraßen bleiben.
• Radfahrende werden in der Sophienstraße zwischen Hans-Sachs-Straße und Scheffelstraße regelmäßig von Kfz-Fahrer:innen überholt, obwohl andere Radfahrende entgegenkommen. Dabei werden die Mindestabstände zum Überholten unterschritten und der Gegenverkehr gefährdet. Wenn Autofahrende jedoch bald später abbiegen müssen, verzichten sie meistens auf das Überholen¹.
• An der Kreuzung Sophienstraße/Lessingstraße sorgt der dichten Radverkehrsstrom auf der – seit letztem Jahr – vorfahrtsberechtigten Sophienstraße für lange Wartzeiten. Autofahrende aus der Lessingstraße werden ungeduldig und nehmen dem Radverkehr die Vorfahrt. Das zeigt sich auch in der Unfallstatistik.

Um eine Sackgasse zu vermeiden, wurde die Einbahnstraße in der nördlichen Lessingstraße gedreht.

Teil 2: Reine Fahrradstraße am Gutenbergplatz

Am Gutenbergplatz wurde die Sophienstraße zwischen Gutenberg- und Nelkenstraße für den Kfz-Verkehr gesperrt:

• Ab 1. Juli bis voraussichtlich Oktober ist die südliche Fahrbahn exklusiv dem Radverkehr vorbehalten. Die südliche Hälfte des Mittelstreifens stehen währenddessen für Aufenthalt und Kinderspiel zur Verfügung.
• Ab Ende August bis voraussichtlich Oktober kommt die nördliche Fahrbahn und die nördliche Hälfte des Mittelstreifens hinzu.

Historie

Der Verkehrsversuch geht auf die Petition Helm statt Hupe von Fridays for Future Karlsruhe zurück, die eine autofreie Sophienstraße forderte. Die Gemeinderatsfraktionen der Grünen, SPD, KAL/Die Partei und Die Linke mit einem Gemeinderatsantrag griffen die Forderungen mit einem Antrag auf, der im Oktober 2023 vom Gemeinderat teilweise angenommen wurde.

¹ Simon Hummel: Fahrradstraßen – Einsatzkriterien und Gestaltungsempfehlungen für die Praxis. Vortrag im "Kolloquium für Fortgeschrittene im Straßenwesen" am 01.02.2023.